Einige von Euch wissen vielleicht, dass ich Mitglied im BPW München bin, des Business and Professional Women Club Germany. Über diesen Weg bin ich auf eine etwas andere Stadtführung aufmerksam geworden, die vom In Via München e. V., dem katholischen Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit zu dessen 120jährigen bestehen organisiert wurde. Die Stadtführung „Auf den Spuren starker Frauen in München von 1895 bis heute“ beleuchtete, beginnend an der Bahnhofsmission am Hauptbahnhof, auf einigen Stationen in München das Wirken verschiedener Frauen Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts. Nachdem mir spontan, neben Sophie Scholl, nicht viel dazu eingefallen ist, wollte ich die Führung unbedingt mitmachen. Und es hat sich gelohnt. Ich habe mal wieder einiges neues über meine Heimat erfahren. Hier eine Zusammenfassung.
Wie erwähnt startete die Tour an der Bahnhofsmission an Gleis 11 am Hauptbahnhof. Ich wußte bis dato weder, dass es dort eine Bahnhofsmission gab, noch welche Aufgaben sie hat. Dass man dort z. B. auch als gestrandeter Reisender etwas zu Essen, zu Trinken und als Frau u. U. sogar ein Bett bekommt, war mir nicht klar, begeistert mich aber sehr.
Zu verdanken haben wir das einer bemerkenswerten Frau – Ellen Ammann. Sie gründete den katholischen Bayerischen Frauenbund, war eine der ersten weiblichen Landtagsabgeordneten als das Frauenwahlrecht eingeführt wurde, und stark in Sachen Sozialarbeit unterwegs. Darüber hinaus war sie an der Niederschlagung des Hitlerputsches 1923 in München beteiligt. Und sie gründete eben diese erste Bahnhofsmission 1897 in München.
Nach dieser ersten Station ging es mit ca. 20 Teilnehmerinnen (ein Mann war auch dabei 🙂 ) Richtung alter Botanischer Garten. Dort, wo heute das Parkcafé beheimatet ist, stand früher der Glaspalast, der ab 1889 fast ausschließlich als Veranstaltungsort für Kunstausstellungen fungierte. Zu der Zeit war es für Frauen sehr schwierig, einen künstlerischen Beruf auszuüben, da die Akademien keine Frauen zuließen. Man mußte also schon über sehr viel Geld verfügen, um sich als Frau privat eine Ausbildung zu organisieren. Frauen, wenn sie überhaupt arbeiteten, waren meist Lehrerinnen, Kellnerinnen, Krankenschwestern oder Trambahnschienenreinigerinnen (!). Daher wurde 1882 in München die private Damenakademie gegründet, an der sich unter anderem auch Gabriele Münter und Käthe Kollwitz einschrieben.
Weiter ging es dann in die Katharina-von-Bora-Straße, die bis vor einigen Jahren noch Meiserstraße hieß. Auch das war mir entgangen. Es gab eine Entwidmung der Meiserstraße wegen antisemitischer Äußerungen dieses ersten bayerischen Landesbischofs. Katharina von Bora war die Ehefrau des Reformators Martin Luther und wohl nicht minder judenfeindlich, was die Sache ein wenig fragwürdig macht. Aber um diese Frau geht es gar nicht, sondern um die Villa Pringsheim. Dort wo der ehemalige Verwaltungsbau der NSDAP steht und heute das Haus der Kulturinstitute beheimatet ist, stand früher das Elternhaus von Katia Pringsheim, der späteren Ehefrau von Thomas Mann. Nicht nur, dass sie die erste Frau in München war, die das Abitur machte. Schon ihre Großmutter Hedwig Dohm war Frauenrechtlerin, kämpfte für die Gleichstellung der Frau und das Frauenwahlrecht, das 1918, kurz vor deren Tod, eingeführt wurde.
Weiter ging es dann zum neu eröffneten NS Dokumentationszentrum.
Hier haben einige Frauen, die in München gegen das NS Regime Widerstand geleistet haben, endlich einen gebührenden Platz erhalten. Hervorgehoben wurde hier Anita Augspurg, eine ebenfalls sehr aktive Frauenrechtlerin jener Zeit, die unter anderem bereits 1923 beim bayerischen Innenminister die Ausweisung Hitlers wegen Volksverhetzung beantragt hatte. Sie gründete den deutschen Verein für Frauenstimmrecht, gab verschiedene Zeitschriften heraus und war Mitglied der SPD, später der USPD (Unabhängige SPD). Eine sehr interessante Persönlichkeit.
Nächste Station war das Oberösterreich Haus in der Brienner Straße, in der NS Zeit das deutsche Ärztehaus, wo die Gleichschaltung der Ärzteschaft ihren Ursprung hatte. Die Ärztin Rahel Straus wurde hier erwähnt, eine jüdische Frauenärztin, die sich als Sozialarbeiterin engagierte, und Frauenrechtlerin und Zionistin war. Sie war nicht nur die erste Frau, die eine Abiturrede hielt, sondern auch die erste Medizinstudentin an der Universität Heidelberg.
Nur ein kleines Stück weiter, dort wo heute die BayernLB residiert, stand früher das Wittelsbacher Palais. Der Ort, in dem Sophie Scholl und die anderen Mitglieder der weißen Rose nach ihrer Gefangennahme bis zu ihrer Hinrichtung inhaftiert wurden. Diese Geschichte ist wohl hinlänglich bekannt….
Am Platz der Opfer des Nazionalsozialismus machten wir dann Bekanntschaft mit Toni Pfülf. Sie war ausgebildete Lehrerin und einzige Frau im Arbeiter- und Soldatenrat Münchens. Sie war später Mitglied der Weimarer Nationalversammlung und auch des Reichstags. In dieser Rolle setzte sie sich unter anderem für die Gleichstellung von Jungen und Mädchen bei der Ausbildung ein.
Eines der wenigen Münchner Frauendenkmäler stellt bezeichnenderweise keine diese politisch engagierten Frauen dar, sondern ein Münchner Original – die Tauben Marie. Diese Frau fütterte täglich über Jahrzehnte hinweg aus einem Kinderwagen voller Vogelfutter heraus die Tauben in München – zum Leidwesen vieler Hausbesitzer und Denkmalpfleger. Auch das gehört zu München!
Der Abschluss der Führung war dann in der Prannerstraße. Dort, wo heute dieses Gebäude steht, war früher der Bayerische Landtag beheimatet, das Gebäude aber 1944 durch eine Bombe zerstört. Hier gab es nochmals einen kurzen Überblick über das 1918 eingeführte Frauenwahlrecht und die hierbei gewählten weiblichen Abgeordneten. Neben der erwähnten Ellen Ammann gehörte hierzu unter anderem auch Luise Kiesselbach. Ich hoffe mit dieser Zusammenfassung dem ein oder anderen Leser Lust an einer intensiveren Beschäftigung mit unserer Heimatgeschichte gemacht zu haben. Ich fand es sehr interessant und finde mich wieder darin bestätigt, dass ich nicht um die halbe Welt fliegen muß, um meinen Horizont zu erweitern.
Hallo,
mit Interesse habe ich Ihre TourBeschreibung gelesen. Ich würde diese auch gerne mit einer älteren Dame machen, die leider nicht mehr ganz so mobil ist.
Könnten Sie mir kurz mitteilen, ob diese Tour sehr anstrengend ist und auch Pausen eingelegt werden.
Ich danke Ihnen sehr herzlich
Viele Grüße Ir.Kreuzinger
Sehr geehrte Frau Kreuzinger,
die Tour ist nicht anstrengend, es gibt allerdings nur am Anfang in der Mission eine Sitzgelegenheit. An jeder Sehenswürdigkeit wird natürlich eine Pause eingelegt und man geht dazwischen locker spazieren, aber alles im Stehen für ca. 1,5 Stunden. Sofern Ihre Bekannte eine mobile Sitzgelegenheit hat, sollte die Tour kein Problem sein. Die Tour ist weitgehend barrierefrei.
Mit freundlichen Grüßen
Eva Maria Zotter