Was ist die Zeit ohne Uhr?

Seit ich vor einer Woche meinen Blog zu „Allein leben – Last oder Luxus?“ geschrieben habe, lässt mich das Thema Zeit nicht mehr los.

Ich habe also festgestellt, dass ich viel Zeit habe, in der ich tun und lassen kann was ich möchte. Und das macht Zeit für mich wertvoll. Wenn ich nämlich selbst entscheiden kann, was ich damit anfange. Aber bei der Reflexion über meine „Massen“ an frei verfügbarer Zeit ist mir eines aufgefallen. Was mich beim freien Verfügen stört, ist die Uhr!!!

Selbst Tage, an denen ich rein gar nichts geplant hatte, waren der Uhr unterworfen. Da ging trotz Wochenende morgens um fünf der Wecker, damit ich den freien Tag auch ja intensiv nutzen konnte. Ich hatte klare Vorstellungen, wann meine Essenszeiten sind, wann es Zeit für einen Kaffee ist, wann für einen ruhigen Schlaf spätestens Abendgegessen werden sollte. Im Ayurveda gibt es dazu einen „gesunden Tagesablauf“, dem ich mich schon fast sklavisch unterwarf.

Damit ist jetzt Schluß. Ich habe großen Respekt vor der Ayurvedischen Lehre, aber ich höre ab jetzt lieber auf meine innere Uhr, mein Herz, und vor allem meinen Magen. Symbolisch habe ich mich dazu bereits im letzten Jahr von meiner Armbanduhr getrennt. Sicher gibt es immer noch genügend Uhren in meiner Wohnung, auf dem Arbeitsweg, im Auto, im Büro. Aber ich schaue nun seltener und mit einer anderen Einstellung auf die Uhr. Ich nehme jetzt die Uhrzeit oft einfach nur wahr und sehe sie nicht mehr unbedingt als Handlungsimpuls. Am Wochenende bleibt der Wecker aus, ich wache auch von selbst früh genug auf. Gerne drehe ich mich dann aber auch noch ein zweites, drittes, oder viertes Mal um (was meinen Katzen gar nicht passt!)

Gefrühstückt wird, wenn der Magen knurrt. Gleiches gilt für Mittagessen und Abendbrot. Ich habe so festgestellt, dass ich viel später Hunger habe, als es die“empfohlenen Zeiten“ wären. So esse ich an freien Tagen meist nach 13 Uhr, oft erst um zwei zu Mittag, Abends dann entsprechend spät oft auch nach acht Uhr. Schlafen kann ich trotzdem hervorragend, und meiner Verdauung tut die entspanntere Einstellung auch sehr gut.

An Arbeitstagen geht zwar der Wecker, aber ich schaue nach dem Aufwachen erst wieder auf die Uhr, wenn ich meine Morgenroutine aus Bett-Tee, lesen und Tagebuch schreiben, Bad, und Tagesvorbereitungen abgeschlossen habe, um dann zu entscheiden, welche Bahn es denn wird (20-Minuten-Takt) oder ob ich doch ins Auto springe. Ich bin im übrigen intuitiv sogar früher fertig, als mit Zeitvorgabe.

Im Büro regiert die Uhr – das ist leider so.

Aber Abends läuft es wieder ähnlich. Ich komme erstmal zuhause an, mache, worauf ich Lust habe, und wenn der Hunger kommt, wird gekocht. Ich frage mich – ohne Uhrdiktat – nun viel öfter, worauf ich eigentlich gerade Lust habe. Was ich will, und nicht, was ich soll. Ich bin im Übrigen der Meinung, dass Achtsamkeit nur ohne Zeitmesser funktioniert. In dem Moment, in dem die Uhr ins Spiel kommt, fange ich nämlich sofort an, über zukünftiges nachzudenken. Schaue ich nicht auf die Uhr, nehme ich Zeit intuitiv wahr und bleibe tatsächlich mehr bei mir und im Hier und Jetzt.

Witzigerweise (oder nach dem Gesetz der Anziehung) steht just im aktuellen „Herzstück“ Magazin etwas zu dem Thema. Dort hat eine Frau den Selbstversuch gemacht und drei Tage ohne Armbanduhr verbracht. Ihr Fazit war sehr positiv, ein Gefühl der Freiheit stellte sich ein. Man fühlt sich der Zeit weniger unterworfen. Wir funktionieren automatisch weniger, und handeln bewusster. Zeit ist mehr Qualität und weniger Quantität.

In der Herzstück war im Übrigen auch noch ein kleiner Ausschnitt aus „Momo“, was ich leider nie gelesen habe, jetzt aber bestimmt nachholen werde. Folgender Satz hat mich dabei sehr berührt: „Und alle Zeit, die nicht mit dem Herzen wahrgenommen wird, ist so verloren wie die Farben des Regenbogens für einen Blinden oder das Lied eines Vogels für einen Tauben.“


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