Allein leben – Last oder Luxus?

Seit einigen Monaten lebe ich allein. Ich habe das die meiste Zeit als Belastung empfunden, meine Freunde für ihr teilweise turbulentes Familienleben und ihre festen Beziehungen beneidet. „Lieber Stress als Alleinsein!“, das war meine Sehnsucht.

Die meisten meiner Freunde haben eine eigene Familie oder leben zumindest mit jemandem zusammen. Und gerade kürzlich in der Vorweihnachtszeit wurde mir bewusst, was das für das eigene Zeitmanagement bedeutet, wie wenig Zeit meine lieben Freunde doch für sich selbst haben. „Ich habe noch gar keine Geschenke gekauft!“, „Ich weiß noch gar nicht, was ich schenken soll!“, „Ich hab noch nichts eingepackt!“, Ich hab noch nicht gebacken, dekoriert, vorbereitet, noch nicht dies, noch nicht das. Das und ähnliches kam so ziemlich aus jeder Ecke meines Freundeskreises.

Schuldbewusst hab ich die Klappe gehalten. Meine Geschenke lagen ja alle schon eingepackt zuhause, seit längerem. Und ich hatte weder dekoriert noch Plätzchen gebacken, da mich selbst das nicht sonderlich interessiert, und es auch sonst niemand von mir erwartet hatte. Nur ein schönes Kerzengesteck hab ich mir gegönnt, mehr nicht.

Mir ist dabei klar geworden, was für ein Luxus es ist, Zeit für sich zu haben. Nach Arbeit, Schlaf und Nahrungsaufnahme bin ich absolute Alleinherrscherin über meine Zeit. Kein Kind, kein Partner, der ein Scheibchen davon abhaben möchte. Ich entscheide, ob und wann ich Lust auf andere Menschen habe, oder lieber allein in meinem Traumschwinger sitze und während des Meditierens sanft einschlummere.

Ich lese mehrere Bücher und Zeitschriften parallel, handarbeite, puzzle, rätsle, kuschle mit meinen Stubentigern, grad so wie es mir in den Sinn kommt. Ich gehe ans Telefon, oder auch nicht. Und am Wochenende kann es schon mal vorkommen, dass die Dusche allein bleibt und die Zahnbürste mich erst am Nachmittag sieht, nachdem ich bereits mehrere Stunden lesend oder im Internet surfend im Bett verbracht hatte. Klingt das nicht traumhaft? Wie in alten Studentenzeiten?

Man verstehe mich jetzt bitte nicht falsch. Ich bin nicht zum militanten Single mutiert und möchte auch nicht den Rest meines Lebens allein verbringen. Ich möchte hier nur per „Ode an das Alleinsein“ meine Selbstzeit öffentlich schätzen und Euch sagen, dass es mir gut damit geht. Denn das war eben die letzten Monate nicht so. Ich habe Alleinsein mit Einsamkeit gleichgesetzt. Das hat mich so belastet, dass ich ständig krankhaft versucht habe, diese Zeit mit Aktionismus zu befüllen, mich abzulenken oder gar zu betäuben, nur um diese „Einsamkeit“ nicht spüren zu müssen.

Dabei war ich nie wirklich einsam. Ich habe mir meine Situation selbst gewählt. Gerade diese vielbeschäftigten, eingespannten Freunde waren jederzeit für mich da (ich liebe Euch!!). Ein Anruf hätte genügt und es hätte sofort einige Anlaufstationen gegeben, um Menschen um mich zu haben. Meist habe ich es aber vorgezogen mich in meinen Kokon zurückzuziehen und zu leiden.

Denn verlassen war ich nur von mir selbst. Und das schon seit Jahrzehnten. Ich habe das gekonnt hinter Beziehungen versteckt, viel gearbeitet und auch sonst viel auf die Beine gestellt. Erst in der Krise habe ich verstanden, wie verlassen ich von mir selbst war. Wie wenig ich mit mir anfangen konnte. Wie unfähig ich war, mit mir selbst auszukommen und damit zufrieden zu sein. Mich anzunehmen wie ich eben bin.

Gerade erst habe ich angefangen zu verstehen, mich mit mir wohl zu fühlen. Es ist oft noch ungewohnt und schwierig, und alte Verhaltensmuster sind schnell bei der Hand. Aber ich erinnere mich. Ich fühle mich oft in meine Kindheit zurückversetzt. Eine Zeit, die ähnlich war wie jetzt, in der ich nach der Schule auch machen konnte was ich wollte (zumindest meistens :-)) und glücklich damit war. Das ist in der Tat ein Luxus, und nur dann eine Last, wenn ich mit mir nicht im Reinen bin. Dann fühle ich mich noch als ungebetener Gast, den man schnell wieder los haben möchte. Aber ich bin bereit, den Gaststatus abzugeben und ganz bei mir einzuziehen. Platz ist genug, und willkommen bin ich auch.


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